Rechtsanwalt
Martin Hüls

 

Betreuungsrecht Report 



Leitsätze wichtiger Urteile:


Zu Zweifeln an der Wirksamkeit einer Vollmacht

BGH, Beschluss vom 03. Februar 2016 – XII ZB 425/14

1. Das krankheitsbedingte Fehlen eines freien Willens i.S.d. § 1896 Abs. 1a BGB hat das sachverständig beratene Gericht auch dann festzustellen, wenn sich der Betroffene gegen die Bestellung eines Betreuers allein wegen einer vermeintlich wirksamen Vorsorgevollmacht wendet (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2014, XII ZB 577/13, FamRZ 2014, 830 und vom 14. Januar 2015, XII ZB 352/14, FamRZ 2015, 648).

2. Die Frage, ob der Betroffene im Zeitpunkt der Vollmachterteilung nach § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig war, hat das Gericht nach § 26 FamFG von Amts wegen aufzuklären. Insoweit bedarf es nicht zwingend einer förmlichen Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 280 Abs. 1 FamFG (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 19. August 2015, XII ZB 610/14, FamRZ 2015, 2047).

3. Kann die Unwirksamkeit einer Vorsorgevollmacht nicht positiv festgestellt werden, bleibt es bei der wirksamen Bevollmächtigung.

Zweifel an einer wirksamen Bevollmächtigung, die auch nach den vom Gericht anzustellenden Ermittlungen verbleiben, führen nur dann zur Erforderlichkeit der Betreuung, wenn die Akzeptanz der Vollmacht im Rechtsverkehr eingeschränkt ist, entweder weil Dritte die Vollmacht unter Berufung auf diese Bedenken zurückgewiesen haben oder weil entsprechendes konkret zu besorgen ist (Abgrenzung zu Senatsbeschlüssen vom 15. Dezember 2010, XII ZB 165/10, FamRZ 2011, 285 und vom 19. August 2015, XII ZB 610/14, FamRZ 2015, 2047).

Zur Erforderlichkeit einer Betreuung trotz Vorsorgevollmacht

BGH, Beschluss vom 17. Februar 2016 – XII ZB 498/15

Zur Frage, wann die Einrichtung einer Betreuung trotz bestehender Vorsorgevollmacht erforderlich sein kann.

Trotz Bestehens einer Vorsorgevollmacht kann eine Betreuung erforderlich sein, wenn entweder Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmachterteilung oder am Fortbestand der Vollmacht bestehen oder wenn der Bevollmächtigte wegen erheblicher Bedenken an seiner Geeignetheit oder Redlichkeit als ungeeignet erscheint. Zu diesen Punkten sind vom Gericht die erforderlichen Feststellungen zu treffen. (red. Leitsatz)


Zur Einrichtung einer Betreuung zur Prüfung der Veräußerung einer Immobilie bei bestehender Vorsorgevollmacht

BGH, Beschluss vom 3. Februar 2016 – XII ZB 307/15, XII ZB 454/15

Zur Einrichtung einer Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Grundstücksveräußerung, wenn dem Vorsorgebevollmächtigten nur eine privatschriftliche Vorsorgevollmacht erteilt ist. (amtl. Leitsatz).

Für die Einrichtung einer Betreuung ist das Vorliegen eines aktuellen Handlungsbedarfs nicht zwingend erforderlich; es genügt, dass dieser Bedarf jederzeit auftreten kann und für diesen Fall die begründete Besorgnis besteht, dass ohne die Einrichtung einer Betreuung nicht das Notwendige veranlasst wird. (Red. Leitsatz)


Zur Beschränkung der Beschwerde auf die Betreuerauswahl

BGH, Beschluss vom 3. Februar 2016 – XII ZB 493/15

1. Die Beschwerde gegen einen Beschluss, mit dem eine Betreuung errichtet wird, kann wirksam auf die Betreuerauswahl beschränkt werden (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 25. März 2015 – XII ZB 621/14, FamRZ 2015, 1178 und BGHZ 132, 157 = FamRZ 1996, 607).

2. Wird die Beschwerde auf die Betreuerauswahl beschränkt, so hat das Beschwerdegericht nicht über die Rechtmäßigkeit der Betreuungsanordnung zu befinden (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 16. September 2015 – XII ZB 526/14, FamRZ 2016, 121).


Zur Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren

BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2015 – XII ZB 227/12

Hat das Beschwerdegericht ein neues Sachverständigengutachten eingeholt, auf das es seine Entscheidung hauptsächlich zu stützen beabsichtigt, ist der Betroffene vor der Entscheidung erneut persönlich anzuhören. Dem Verfahrenspfleger ist die Teilnahme an dem Anhörungstermin zu ermöglichen.


Zum Widerruf der Vorsorgevollmacht

BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – XII ZB 177/15

Zu den Voraussetzungen für die Bestellung eines Kontrollbetreuers mit dem Aufgabenkreis "Widerruf einer Vorsorgevollmacht" (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 28. Juli 2015 – XII ZB 674/14 FamRZ 2015, 1702).


Zur Feststellung der Fähigkeit zur freien Willensbestimmung im Aufhebungsverfahren

BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2015 – XII ZB 58/15

Das Gericht hat auch im Aufhebungsverfahren festzustellen, ob der Betroffene trotz seiner Erkrankung noch zu einer freien Willensbestimmung fähig ist (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 16. September 2015 – XII ZB 500/14 zur Veröffentlichung bestimmt).


Zum Veruntreuungsverdacht bei Vorsorgevollmacht

BGH, Beschluss vom 9. September 2015 – XII ZB 125/15

Zur Erforderlichkeit einer Kontrollbetreuung bei einem vom Betroffenen geäußerten Verdacht der unberechtigten Entnahme eines Geldbetrags durch den Vorsorgebevollmächtigten (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 16. Juli 2014 XII ZB 142/14 FamRZ 2014, 1693).

Zu Auswahl und Beurteilung der Eignung eines Betreuers

BGH, Beschluss vom 30. September 2015 – XII ZB 53/15

1. Zu den bei der gemäß § 1897 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Beurteilung der Eignung als Betreuer zu berücksichtigenden Umständen.

2. Die vom Tatrichter vorgenommene Beurteilung der Eignung einer Person als Betreuer kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur auf Rechtsfehler überprüft werden. Sie ist rechtlich fehlerhaft, wenn der Tatrichter den unbestimmten Rechtsbegriff der Eignung verkennt, relevante Umstände in unvertretbarer Weise bewertet oder bei der Subsumtion wesentliche Umstände unberücksichtigt lässt.

3. Bei der Auswahl gemäß § 1897 Abs. 5 BGB zwischen mehreren geeigneten Personen steht dem Tatrichter ein Ermessen zu. Die Auswahlentscheidung ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur daraufhin zu überprüfen, ob der Tatrichter sich des ihm zustehenden Ermessens bewusst gewesen ist, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt, von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht oder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat. Hingegen sind Angemessenheit und Zweckmäßigkeit der Auswahl der Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich entzogen. Ausreichend ist insofern, dass die vom Tatsachengericht vorgenommene Auswahl möglich ist, auch wenn sie nicht zwingend erscheint oder eine andere Auswahl ebenso nahe- oder sogar nähergelegen hätte.


Zur Ablehnung eines Antrags Aufhebung der Betreuung

BGH, Beschluss vom 16. September 2015 – XII ZB 500/14

Ein Antrag auf Aufhebung der Betreuung kann nur abgelehnt werden, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sämtliche Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers noch vorliegen. Deshalb erfordert die Ablehnung eines solchen Antrags die Feststellung, dass dem Betroffenen die Fähigkeit fehlt, einen freien Willen i.S.v. § 1896 Abs. 1a BGB zu bilden.

Zur Erforderlichkeit der Betreuung

BGH, Beschluss vom 23. September 2015 – XII ZB 225/15

Eine Betreuung ist nur dann gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht erforderlich, wenn konkrete Alternativen im Sinne dieser Vorschrift bestehen. Die Möglichkeit einer Bevollmächtigung steht der Erforderlichkeit der Betreuung daher nur entgegen, wenn es tatsächlich mindestens eine Person gibt, welcher der Betroffene das für eine Vollmachterteilung erforderliche Vertrauen entgegen bringt und die zur Übernahme der anfallenden Aufgaben als Bevollmächtigter des Betroffenen bereit und in der Lage ist.


Zur Erforderlichkeit der Betreuung bei wirksam widerrufener Vorsorgevollmacht

BGH, Beschluss vom 19. August 2015 – XII ZB 610/14

Ist zweifelhaft, ob eine Vorsorgevollmacht wirksam widerrufen worden ist, können die Angelegenheiten des Betroffenen durch den Bevollmächtigten wegen der dadurch bedingt eingeschränkten Akzeptanz der Vollmacht im Rechtsverkehr regelmäßig nicht ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden.

Zum Widerruf einer Vorsorgevollmacht

BGH, Beschluss vom 28. Juli 2015 – XII ZB 674/14

a) Der Betreuer kann eine Vorsorgevollmacht nur widerrufen, wenn ihm diese Befugnis als eigenständiger Aufgabenkreis ausdrücklich zugewiesen ist (Abgrenzung zu den Senatsbeschlüssen vom 13. November 2013 XII ZB 339/13 FamRZ 2014, 192 und vom 1. August 2012 XII ZB 438/11 FamRZ 2012, 1631).

b) Dieser Aufgabenkreis darf einem Betreuer nur dann übertragen werden, wenn das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls des Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lässt und mildere Maßnahmen nicht zur Abwehr eines Schadens für den Betroffenen geeignet erscheinen.

c) Auch nach einem wirksamen Widerruf der Vorsorgevollmacht durch den Betreuer kann der Bevollmächtigte noch im Namen des Betroffenen Beschwerde gegen die Betreuerbestellung einlegen (Fortführung der Senatsbeschlüsse vom 15. April 2015 XII ZB 330/14 FamRZ 2015, 1015 und vom 5. November 2014 XII ZB 117/14 FamRZ 2015, 249).


Zur Beschwerdebefugnis naher Angehöriger

BGH, Beschluss vom 8.7.2015 – XII ZB 292/14

Die Beschwerdebefugnis naher Angehöriger nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG erstreckt sich auch auf eine betreuungsgerichtliche Entscheidung, mit der ein Betreuerwechsel abgelehnt worden ist (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 7. Mai 2014, XII ZB 138/13 – FamRZ 2014, 1191).


Zur Beschwerdefrist bei Zustellungsmangel

BGH, Beschluss vom 13. Mai 2015 - XII ZB 491/14

Das Unterbleiben einer gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG erforderlichen Zustellung führt zur Unwirksamkeit der Bekanntgabe (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 10. Juli 2013 XII ZB 411/12 FamRZ 2013, 1566 und vom 4. Mai 2011 XII ZB 632/10 FamRZ 2011, 1049).


Zum Einwilligungsvorbehalt

BGH, Urteil vom 21. April 2015 - XI ZR 234/14

Die Zahlung an eine Person, für die ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt für den Bereich der Vermögenssorge angeordnet ist, hat keine Erfüllungswirkung.


Vorsorgevollmacht und Selbsbestimmungsrecht

BVerfG, Beschluss vom 10.6.2015 – 2 BvR 1967/12

Das Selbstbestimmungsrecht (Art 2 Abs 1 GG) eines Betreuten umfasst nicht den Verzicht auf gerichtliche Kontrolle freiheitsbeschränkender Maßnahmen gem. § 1906 Abs 5 BGB. Daher kann in einer Vorsorgevollmacht kann nicht auf gerichtliche Genehmigung bei freiheitsbeschränkenden Maßnahmen verzichtet werden. (Red. Leitsatz)

Zur "Beitrittserklärung" zu einem Wohn- und Betreuungsvertrag

BGH, Urteil vom 21. Mai 2015 – III ZR 263/14

Überlässt der Betreiber eines Seniorenheims interessierten Pflegegästen oder Dritten im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Wohn- und Betreuungsvertrags als Anlage zu einem vorformulierten Vertragsentwurf eine "Beitrittserklärung", in der sich ein Dritter als Beitretender verpflichtet, selbständig und neben dem Pflegegast für dessen Verpflichtungen aus dem Vertrag aufzukommen, liegt hierin eine Zuwiderhandlung gegen § 14 Abs. 1 Satz 1 WBVG i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 10 UKlaG, wenn der Beitritt des Dritten im Wohn- und Betreuungsvertrag nicht vereinbart ist.


Zur Auswahl des Betreuers

BGH, Beschluss vom 22. 4. 2015 – XII ZB 577/14

Läuft der Vorschlag des Betroffenen zur Auswahl des Betreuers seinem Wohl in einem bestimmten Aufgabenkreis zuwider, hat das Betreuungsgericht im Hinblick auf die weiteren Angelegenheiten die Anordnung einer Mitbetreuung zu prüfen, um dem Vorschlag des Betroffenen möglichst weitgehend Rechnung zu tragen.


Zum Beschwerderecht des Vorsorgebevollmächtigten

BGH, Beschluss vom 15. April 2015 - XII ZB 330/14

a) Der Vorsorgebevollmächtigte ist nicht berechtigt, im eigenen Namen gegen einen die Betreuung anordnenden Beschluss Beschwerde einzulegen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 5. November 2014 - XII ZB 117/14 - FamRZ 2015, 249).
b) Auch eine etwaige verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer nach Vollmachtwiderruf fortdauernden Vertretung des Betroffenen durch den Vorsorgebevollmächtigten kann diesem nur die Befugnis geben, eine Beschwerde gegen die Betreuungsanordnung im Namen des Betroffenen einzulegen.
c) Wird eine vom Vorsorgebevollmächtigten im eigenen Namen eingelegte Beschwerde verworfen, so kann dieser nach Widerruf der Vorsorgevollmacht kein Mandat mehr zur Vertretung des Betroffenen in der Rechtsbeschwerdeinstanz erteilen.


Zur Zustellung an eine prozessunfähige Person

BGH, Urteil vom 12. März 2015 – III ZR 207/14

a) Die Unwirksamkeit der Zustellung an eine prozessunfähige Person (§ 170 Abs. 1 Satz 2 ZPO) kann gemäß § 189 ZPO dadurch geheilt werden, dass das zuzustellende Schriftstück dem gesetzlichen Vertreter der prozessunfähigen Person tatsächlich zugeht.
b) § 167 ZPO erfasst auch die erst durch eine - insgesamt noch "demnächst" erfolgende - Heilung wirksam gewordene Zustellung.


Zur Beschwerdebefugnis eines nahen Angehörigen

BGH, Beschluss vom 4.3.2015 – XII ZB 396/14

Die Beschwerdeberechtigung naher Angehöriger nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG setzt voraus, dass die Verfahrensbeteiligung gerade in dem Verfahren erfolgt ist, dessen abschließende Sachentscheidung angegriffen werden soll. Eine Verfahrensbeteiligung im Erstverfahren zur Betreuerbestellung genügt daher nicht, um eine Beschwerdeberechtigung nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG gegen die Entscheidung zu begründen, mit der später der Aufgabenkreis des Betreuers erweitert wird.


Zum Umfang einer Vorsorgevollmacht bei Bankgeschäften

Landgericht Detmold, Beschluss vom 14.01.2015 – 10 S 110/14

1. Eine Vollmacht bezüglich der Vermögensangelegenheiten des Vollmachtgebers berechtigt den Bevollmächtigten auch dann zu einer Verfügung über ein Bankkonto des Vollmachtgebers, wenn für dieses keine gesonderte Bankvollmacht erteilt worden ist.
2. Macht eine Bank die Verfügung des Vorsorgegebebevollmächtigten über ein Bankkonto des Vollmachtgebers trotz Vorliegens der Vorsorgevollmacht von unberechtigten Bedingungen abhängig, so haftet sie dem Vollmachtgeber für den diesem hierdurch entstandenen Schaden (hier: Die Aufwendungen für die Einschaltung eines Rechtsanwalts).


Zur Geschäftsführung ohne Auftrag

BGH, Beschluss vom 27.11.2014 - III ZA 19/14

Im Falle der Nichtigkeit eines Vertrags - auch wegen gesetzlichen Verbots oder Sittenverstoßes - kann grundsätzlich auf die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag zurückgegriffen werden; der Umstand, dass sich der Geschäftsführer zur Geschäftsbesorgung verpflichtet hat oder für verpflichtet hält, steht dem nicht entgegen. Für den Fall der Nichtigkeit des Vertrags infolge der Verweigerung der Genehmigung des Rechtsgeschäfts eines beschränkt Geschäftsfähigen (§§ 106 ff, 108 BGB) oder eines Betreuten, für dessen Vermögensangelegenheiten ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet worden ist (§ 1903 BGB), gilt nichts anderes.


Zur Erforderlichkeit einer Betreuung

BGH, Beschluss vom 21.01.2015 - XII ZB 324/14

a) Auch im Bereich der Vermögenssorge kann die Erforderlichkeit der Betreuung nicht allein mit der subjektiven Unfähigkeit des Betreuten begründet werden, seine diesbe-züglichen Angelegenheiten selbst zu regeln; vielmehr muss aufgrund konkreter tat-richterlicher Feststellungen die gegenwärtige Gefahr begründet sein, dass der Betreute einen Schaden erleidet, wenn man ihm die Erledigung seiner vermögensrechtlichen Angelegenheiten eigenverantwortlich selbst überließe.
b) Das Vorliegen eines aktuellen Handlungsbedarfs zugunsten des Vermögens des Betreuten ist nicht zwingend erforderlich; es genügt, dass dieser Bedarf jederzeit auftreten kann und für diesen Fall die begründete Besorgnis besteht, dass ohne die Einrichtung einer Betreuung nicht das Notwendige veranlasst wird.

Zur Betreuungsanordnung

BVerfG, Beschluss vom 20.01.2015 – 1 BvR 665/14

In den Fällen, in denen ein Betroffener gegen seinen Willen unter Betreuung gestellt wird, unterliegen die dies anordnenden Gerichtsentscheidungen angesichts des Gewichts des damit verbundenen Grundrechtseingriffs einer strengen, über die bloße Prüfung der grundsätzlichen Verkennung der Grundrechtsrelevanz der angegriffenen Maßnahmen hinausgehenden verfassungsgerichtlichen Kontrolle. Diese erfasst insbesondere auch die Frage, ob die festgestellten Tatsachen die Entscheidung tragen und ohne wesentlichen Verstoß gegen Verfahrensrecht gewonnen wurden (Leits. der Red.).


Zur Betreuung gegen den Willen des Betroffenen

BGH, Beschluss vom 14.01.2015, XII ZB 352/14

Die entscheidenden Kriterien bei dem Begriff der freien Willensbestimmung in § 1896 Abs. 1 a BGB und in § 104 Nr. 2 BGB sind die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen und dessen Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln. Ohne entsprechende Feststellungen zu § 1896 Abs. 1 a BGB darf eine Betreuung nicht angeordnet werden. Das gilt auch dann, wenn eine Betreuung für den Betroffenen objektiv vorteilhaft wäre.

Zu unterbringungsähnlichen Maßnahmen

BGH, Beschluss vom 07.01.2015 - XII ZB 395/14

a) Ohne rechtswirksame Einwilligung des Betroffenen ist eine Maßnahme immer dann als unterbringungsähnlich im Sinn des § 1906 Abs. 4 BGB einzustufen, wenn sie, ohne eine Unterbringung zu sein, die Bewegungsfreiheit des Betroffenen über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig begrenzt und dies zumindest auch bezweckt.
b) Ein "regelmäßiges" Hindern i.S.d. § 1906 Abs. 4 BGB liegt vor, wenn es stets zur selben Zeit oder aus wiederkehrendem Anlass erfolgt. Es kommt nicht auf die Dauer der jeweiligen Einzelmaßnahme an, so dass auch kurzzeitige Beschränkungen der Bewe-gungsfreiheit genehmigungspflichtig sind, wenn sie regelmäßig vorgenommen werden. Lediglich diejenigen regelmäßigen Einschränkungen der Fortbewegungsfreiheit unter-fallen nicht § 1906 Abs. 4 BGB, bei denen es sich um nur unerhebliche Verzögerungen handelt.
c) Das regelmäßige Verschließen der Eingangstür während der Nachtstunden kann eine unterbringungsähnliche Maßnahme darstellen, wenn der Betroffene weder einen Schlüssel erhält noch ein Pförtner das jederzeitige Verlassen der Einrichtung ermöglicht.


Zur Beschwerde

BGH, Beschluss vom 20. November 2014 - XII ZB 86/14

Der im ersten Rechtszug nicht hinzugezogene Angehörige kann durch Einlegung einer Beschwerde gegen die getroffene Betreuungsentscheidung keine Überprüfung der getroffenen Sachentscheidung durch das Beschwerdegericht erzwingen.


Zur Verjährung

BGH, Beschluss vom 17.09.2014 - XII ZB 338/14

Die Verjährung des Regressanspruchs der Staatskasse gegen den Betreuten oder dessen Erben wegen gezahlter Betreuervergütung wird nicht durch die Einleitung des Regressverfahrens oder durch die Anhörung des Betreuten oder des Erben gehemmt.


Zum Beschwerderecht

BGH, Beschluss vom 5.11.2014 - XII ZB 117/14

Der Vorsorgebevollmächtigte ist nicht berechtigt, im eigenen Namen gegen einen die Betreuung anordnenden Beschluss Beschwerde einzulegen.

Zur Anwaltsbeiordnung

LG Kleve, Beschluss vom 02.09.2014 - 4 T 528/14

1. Ob dem Betroffenen im Betreuungsverfahren bei bewilligter Verfahrenskostenhilfe ein Rechtsanwalt beizuordnen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles.
2. Die maßgeblichen Kriterien, nach denen zu bewerten ist, ob ein solcher Einzelfall vorliegt, entsprechen denen, nach den zu entscheiden gewesen wäre, ob für den Betroffenen ein Verfahrenspfleger zu bestellen gewesen wäre, wenn er keinen anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten gehabt hätte.


Zur Beschwerde

BGH, Beschluss vom 17. September 2014 - XII ZB 220/14

Wendet sich der Betroffene nach der Anordnung der Betreuung noch innerhalb der Beschwerdefrist allein gegen die Betreuerauswahl, so ist dieses Anliegen als Beschwerde gegen den Ausgangsbeschluss auszulegen und nicht als Antrag nach § 1908 b Abs. 3 BGB zu behandeln.


Zur Kontrollbetreuung

BGH, Beschluss vom 16. Juli 2014 - XII ZB 142/14

Um trotz Vorliegens eine Kontrollbetreuung einzurichten, müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Errichtung einer Kontrollbetreuung erforderlich machen. Notwendig ist der konkrete, d.h. durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird. Dies kann der Fall sein, wenn nach den üblichen Maßstäben aus der Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers unter Berücksichtigung des in den Bevollmächtigten gesetzten Vertrauens eine ständige Kontrolle schon deshalb geboten ist, weil Anzeichen dafür sprechen, dass der Bevollmächtigte mit dem Umfang und der Schwierigkeit der vorzunehmenden Geschäfte überfordert ist, oder wenn gegen die Redlichkeit oder die Tauglichkeit des Bevollmächtigten Bedenken bestehen. Ein Missbrauch der Vollmacht oder ein entsprechender Verdacht ist nicht erforderlich. Ausreichend sind konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht mehr entsprechend der Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt.


Zur Beschwerdebefugnis

BGH, Beschluss vom 7. Mai 2014 - XII ZB 138/13

Die Beschwerdebefugnis naher Angehöriger nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG erstreckt sich auch auf eine betreuungsgerichtliche Entscheidung, mit der die Entlassung eines Betreuers nach § 1908b BGB abgelehnt worden ist.


Zur Abweichung vom Gutachten

BGH, Beschluss vom 12.02.2014 - XII ZB 614/13

Das Gericht ist nicht gehindert, eine vom Ergebnis des Gutachtens abweichende Bewertung auch zur Frage der freien Willensbestimmung vorzunehmen, wenn sich aus dem Gutachten genügend Anknüpfungstatsachen für eine abweichende Bewertung ergeben. Will der Tatrichter allerdings einem Sachverständigengutachten nicht folgen, muss er eine von dem eingeholten Sachverständigengutachten abweichende Beurteilung in seiner Entscheidung sachkundig und ausführlich begründen.


Zur freien Willensbildung

BGH, Beschluss vom 26.02.2014 - XII ZB 577/13

Die beiden entscheidenden Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit zur freien Willensbildung sind die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen und dessen Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln. Einsichtsfähigkeit im Sinne des § 1896 Abs. 1 a BGB setzt die Fähigkeit des Betroffenen voraus, im Grundsatz die für und wider eine Betreuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte zu erkennen und gegeneinander abzuwägen.
Handlungsfähigkeit als weitere Voraussetzung der freien Willensbestimmung liegt vor, wenn der Betroffene imstande ist, nach der gewonnenen Erkenntnis zu handeln, also die sich daraus ergebenden Schlüsse in Bezug auf die Einrichtung einer Betreuung umzusetzen (Leits. der Red.)


Zur Betreuung trotz Vorsorgevollmacht

BGH, Beschluss vom 26.02.2014 - XII ZB 301/13

Eine Vorsorgevollmacht steht der Anordnung der Betreuung nicht entgegen, wenn der Bevollmächtigte als zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen nicht tauglich erscheint, namentlich erhebliche Zweifel an seiner Redlichkeit im Raum stehen.


Zur Zustellung bei Prozessunfähigkeit

BGH, Urteil vom 15. Januar 2014 - VIII ZR 100/13

Die unter Verstoß gegen § 170 Abs. 1 ZPO erfolgte Zustellung eines Vollstreckungsbescheids an eine aus dem zuzustellenden Titel nicht erkennbar prozessunfähige Partei setzt die Einspruchsfrist in Gang.
Der prozessunfähigen Partei, die den Nichtigkeitsgrund der mangelhaften Vertretung geltend macht, kann nicht entgegengehalten werden, sie hätte den Verfahrensmangel durch ein Rechtsmittel geltend machen müssen. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob die Partei von vornherein von einem Rechtsmittel abgesehen oder ob sie ein zunächst eingelegtes Rechtsmittel zurückgenommen hat.

Zur Anhörung

BGH, Beschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 330/13

a) Die persönliche Anhörung gehört zu den bedeutsamen Verfahrensgarantien im Unterbringungsverfahren und ist Kernstück der Amtsermittlung.
b) Das Unterbleiben der persönlichen Anhörung des Betroffenen stellt einen Verfahrensmangel dar, der derart schwer wiegt, dass der genehmigten Unterbringungsmaßnahme insgesamt der Makel einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung anhaftet.

Zur Unterbringung

BGH, Beschluss vom 7. August 2013 - XII ZB 691/12

a) Der Gutachter muss schon vor der Untersuchung des Betroffenen zum Sachverständigen bestellt worden sein.

b) Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Entscheidungsgrund-lage setzt gemäß § 37 Abs. 2 FamFG voraus, dass das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat.

c) Die Feststellung, dass der Betroffene durch die angefochtene Entscheidung in seinen Rechten verletzt ist, kann grundsätzlich auch auf einer Verletzung des Verfahrensrechts beruhen.

Zur Unterbringung

BGH, Beschluss vom 14. August 2013 - XII ZB 614/11

Voraussetzung der Genehmigung der Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB ist, dass für den Betroffenen ein Betreuer gem. §§ 1896 ff. BGB bestellt und diesem die Kompetenz eingeräumt ist, im Namen des Betroffenen die Einwilligung in die Freiheitsentziehung zu erklären. Die Kompetenz zur Einwilligung in die Unter-bringung muss dem Betreuer bei Umschreibung seines Aufgabenkreises ausdrücklich eingeräumt werden; im Fall des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB müssen etwa die Aufgabenkreise "Befugnis zur Unterbringung" oder "Aufenthaltsbestimmungsrecht" einerseits und "Gesundheitsfürsorge" andererseits zugewiesen sein.

Zur Betreuerbestellung

BGH, Beschluss vom 14.08.2013 – XII ZB 206/13

Gemäß § 1896 Abs. 2 BGB darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Die Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Eine wirksam erteilte Vorsorgevollmacht steht daher der Bestellung eines Betreuers grundsätzlich entgegen, sofern gegen die Wirksamkeit der Vollmachtserteilung keine Bedenken bestehen oder der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründet. Dies ist der Fall, wenn der Bevollmächtigte wegen erheblicher Bedenken an seiner Geeignetheit oder Redlichkeit als ungeeignet erscheint.


Zur Rechnungslegung

LG Paderborn, Beschluss vom 08.04.2013, 5 T 124/13

Die bloße Vorlage von Unterlagen und Belege - ohne eine nachvollziehbare Zusammenstellung über die Einkommens– und Vermögenssituation des Betroffenen -, aus denen sich das Gericht erst selbst eine Übersicht erarbeiten muss, genügt den Anforderung an eine Schlussrechnung nicht, so dass gegen den Betreuer ein Zwangsgeld verhängt werden kann.


Zur Beschwerdefrist

BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013 - XII ZB 411/12

Die Beschwerdefrist beginnt auch dann nach Ablauf der fünfmonatigen Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG, wenn die erforderliche Zustellung (hier: Beschluss über die Bestellung eines Betreuers an den Betroffenen) mit Mängeln behaftet war.


Zum Verfahrenspfleger

BVerfG, Entscheidung vom 22. 05.2013, 1 BvR 372/13

In betreuungsrechtlichen Verfahren, in denen die Person oder der Aufgabenbereich des Betreuers Verfahrensgegenstand sind, sind die Vorschriften über die Verfahrenspflegschaft so auszulegen, dass diese auch das Recht zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde einschließen, also dem für das einfachrechtliche Verfahren bestellten Verfahrenspfleger auch die Befugnis einräumen, im Interesse des Betroffenen über die einfachrechtlichen Rechtsmittel hinaus Verfassungsbeschwerde zu erheben. Andernfalls bestünde in derartigen Konstellationen entgegen dem Grundgedanken des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG die Gefahr, dass gegenüber der rechtsprechenden Gewalt der Betreuungsgerichte Grundrechte von vornherein nicht zeitgerecht und wirkungsvoll im Wege einer Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden könnten, da der Betreute selbst aufgrund seiner Erkrankung möglicherweise hierzu nicht in der Lage ist und sein Betreuer als gesetzlicher Vertreter aufgrund potentieller Interessenkonflikte hierzu möglicherweise nicht willens ist.


Zum Ergänzungsbetreuer

BGH, Beschluss vom 19.12.2012 - XII ZB 241/12

Die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers nach den §§ 1899 Abs. 4, 1908 i Abs. 1, 1795 Abs. 1, 1796, 181 BGB lässt die angeordnete Betreuung und den betroffenen Aufgabenkreis in seinem Umfang unberührt. Eine Änderung ergibt sich allein hinsichtlich der Zuständigkeit der Betreuer zur Wahrnehmung einzelner Angelegenheiten: Soweit die Ergänzungsbetreuung reicht, tritt der Ergänzungsbetreuer an die Stelle des (eigentlichen) Betreuers; im Übrigen bleibt der Betreuer für den Aufgabenkreis zuständig. Ein solches Verfahren fällt ebenso wie die Entlassung des bisherigen Betreuers unter die Auffangbestimmung des § 271 Nr. 3 FamFG.


Zu den Voraussetzungen einer Betreuerbestellung

BGH, Beschluss vom 21.11.2012, XII ZB 114/12

Nach § 1896 Abs. 1 a BGB darf gegen den freien Willen des Volljährigen ein Betreuer nicht bestellt werden. Stimmt der Betroffene der Einrichtung einer Betreuung nicht zu, so ist neben der Notwendigkeit einer Betreuung stets zu prüfen, ob die Ablehnung durch den Betroffenen auf einem freien Willen beruht (Leits. der Red.)